Umstrukturierung

Chronik der Veränderung

Wie sehr der aktuelle Reformprozess das Antlitz der Paris Lodron Universität Salzburg prägen wird, kann derzeit nur vage abgeschätzt werden. So viel ist aber sicher: Die Reformbemühungen des amtierenden Rektors Hendrik Lehnert sind nicht die ersten – und werden auch nicht die letzten an der Hochschule sein.

Text: Alexandra Embacher

Erst gut ein halbes Jahr war Rektor Hendrik Lehnert im Amt, als er im Frühjahr 2020 die Entwicklung eines Reformplans begann. Aber nicht im Alleingang, wie Lehnert betont: „Wir haben einen Weg gesucht, in Diskussionen mit allen Beteiligten eine neue Struktur, die ganz klar inhalts- und wissenschaftsgeleitet ist, zu entwerfen.“ Die Änderungen betreffen vor allem die Organisation, ein maßgeschneidertes Gerüst soll für erfolgreiche Lehre und Forschung implementiert werden. Lehnert spricht von einer „Notwendigkeit zur klar definierten Struktur“. Eine Obliegenheit, die im Laufe der Zeit bitter nötig wurde, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Vorsitzende des Universitätsrats, Georg Lienbacher, mahnt aber in Bezug auf die Umbaupläne der Universitätsstruktur im ORF-Interview: „Ich sage eines schon ganz deutlich: Dinge, die sich bewährt haben, die müssen auch bewahrt werden.“ Dennoch sehe auch er den Bedarf einer Reform, die Rahmenbedingungen für die Hochschulen hätten sich geändert.

ÖSTERREICHWEITE MODIFIZIERUNGEN

Historisch gesehen handelt es sich bei den derzeitigen strukturellen Änderungsplänen nicht um das erste Umbauvorhaben an der Salzburger Hochschule, auch wenn diese in vielen Fällen auf Bundesebene verabschiedet wurden. „Die Organisation der österreichischen Universitäten wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder vonseiten des Staates reformiert“, beschreibt Alexander Pinwinkler, Privatdozent an der Universität Wien und Lehrbeauftragter an der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS). „Alle diese Reformen reflektierten in jeweils unterschiedlichem Maß den gesellschaftlichen Wandel beziehungsweise jeweils aktuelle, politische Kräfteverhältnisse, wie sie auf Bundesebene zutage traten.“

Als Beispiel führt Pinwinkler die Änderungen an, die mit dem Universitätsorganisationsgesetz 1975 (UOG 75) in Kraft getreten sind. Die Einführung der Drittelparität an den Universitäten – Professor*innen, Mittelbau und Studierende – beendete die Zeit der „Ordinarienuniversität“, die die österreichischen Universitäten und Hochschulen über lange Zeit hinweg bestimmt hatte. „Der Ruf nach einer gesellschaftlichen Demokratisierung, der die späten 1960er- sowie die 1970er-Jahre stark geprägt hatte, wurde in der Ära Kreisky unter Bundesministerin Firnberg erstmals auch an den Universitäten umgesetzt, blieb dort aber nicht unumstritten“, führt der Historiker weiter aus. „Besonders viele der, meist männlichen, Professor*innen, deren Einfluss damals zurückgedrängt wurde, protestierten gegen das UOG 75.“ Im umgekehrten Sinne wurde dem in der Amtszeit von Bundeskanzler Schüssel umgesetzten Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) von Kritiker*innen eine zumindest teilweise Rückkehr zu den Zuständen, die vor 1975 an den Universitäten geherrscht hatten, vorgeworfen. 

HARMLOSER (ONLINE-)PROTEST

Mit Vorwürfen sieht sich auch PLUS-Rektor Hendrik Lehnert hinsichtlich der aktuellsten Organisations- und Entwicklungspläne konfrontiert. Besonders von der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) kommt scharfe Kritik: Die Förderung und die Anpassung des Studiums auf die tatsächliche Lebensrealität von Studierenden sowie die Verbesserung der Lehrqualität würden im Papier komplett fehlen. Der Rektor zeichne ein Bild, dem die Universität Salzburg in der Realität nicht entspreche und nicht entsprechen sollte – so der Tenor aus dem Vorsitzbüro. Kundgemacht werden die Argumente über Social Media-Kampagnen, Artikel in der uni:press und Pressemitteilungen. Im Großen und Ganzen geht der Protest über die Medienarbeit aber nicht hinaus, ein langläufig milder Widerstand gegen das so oft als „mit leeren Worthülsen gespickte“ diffamierte Reformvorhaben. Warum? An den zu kritisierenden gesellschaftlichen Strukturen mangelt es nicht. Womöglich ist die Protestkultur eine digitale geworden, die in der täglichen Informationsflut zu untergehen droht, oder das Corona-Virus hat einem analogen Widerstand einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Anders bei der Studierendenbewegung rund um das Jahr 1968, die Salzburg mit Verspätung und vergleichsweise wohl etwas abgeschwächt erreicht hat. „Viele Studierende haben sich in den 1970er-Jahren gegen den Vietnamkrieg gewandt und ihr hochschulpolitisches Engagement im Geiste von ‚1968‘ mit allgemeineren, gesellschaftspolitischen Anliegen verknüpft“, nennt Alexander Pinwinkler ein radikales Bespiel für Widerstand gegen Reformen oder auch gesellschaftliche Strukturen. Die spektakuläre Demonstration am Rollfeld des Salzburger Flughafens 1972 anlässlich der Landung von US-Präsident Nixon ist bis heute in Erinnerung. Und was wird von der Kritik der Interessenvertreter*innen der Studierenden an den Strukturplänen bleiben? Mit Zuversicht, dass ihre Anliegen gehört und in die aktuellen Pläne eingewoben werden.

„Inwieweit Reformen tatsächlich ‚innovativ‘ und weiterführend sind, lässt sich generell meist erst im Nachhinein beurteilen.“

Alexander Pinwinkler, Historiker
Alexander Pinwinkler ist Privatdozent an der Universität Wien und Lehrbeauftragter an der Paris Lodron Universität Salzburg.
Foto: beigestellt

DIE KRUX MIT DER ZEIT

Ob die studentischen Vertreter*innen gehört werden und wie tiefgreifend die Reformvorhaben tatsächlich ausfallen werden, lässt sich seriös erst abschätzen, sobald die Maßnahmen umgesetzt sind und einige Zeit wirken konnten. „Historisch gesehen, gehört es wohl zum diskursiven Repertoire vieler Reformer*innen, zu behaupten, dass ihre Reformen ‚innovativ’ seien“, sagt Pinwinkler, ohne aktuelle Bezüge herstellen zu wollen. „Inwieweit Reformen tatsächlich ‚innovativ‘ und weiterführend sind, lässt sich generell meist erst im Nachhinein, nachdem viel Zeit verstrichen ist, ‚sine ira et studio‘, beurteilen.“ Ebenso wird Rektor Hendrik Lehnert in den letzten Wochen nicht müde, die positiven Seiten der Reformpläne zu unterstreichen – man wolle die PLUS langfristig stärken. Dass es diese Reformmaßnahmen braucht, darüber hat es aber ohnehin nie eine Diskussion gegeben. Besonders angesichts der herannahenden Novelle des Universitätsgesetzes (UG), die sich derzeit in Begutachtung befindet, braucht die Salzburger Hochschule eine Struktur, die die Rahmenbedingungen tragen kann – und die von vielen mitgetragen wird. Ob die geplante Strukturreform dabei Abhilfe schaffen kann, wird sich zeigen. 

Buchtipp:

DIE „GRÜNDERGENERATION“ DER UNIVERSITÄT SALZBURG

Biographien, Netzwerke, Berufungspolitik, 1960–1975

Autor: Alexander Pinwinkler
Umfang: 297 Seiten
Verlag: Böhlau Wien
Preis: 45,– Euro
ISBN: 978-3-205-20937-9

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Titelbild: Shutterstock / Andrea Schernthaner
Dieser Artikel ist im PUNKT. 02/20 erschienen.