Umstrukturierung

Über-Leben in einer Pandemie

Strukturreform hier, Umstrukturierung da. Zwischendurch wieder ein Lockdown Light, dann ein konventioneller Lockdown. Nahezu alle Beteiligten der Universität, Regierung und Co. tun gerade so, als wäre die größte Herausforderung während der Pandemie, Arbeitsplätze zu sichern. Wenn nur das das Problem ist, dann kann man in dieser Zeit ja auch so etwas Weitreichendes wie eine Reform der kompletten Universität oder des Universitätsgesetzes durchprügeln. 

Meinung von Sophia Reiterer

Wir alle überleben gerade eine Pandemie. Den Arbeitsplatz zu verlieren ist furchtbar und sichtbar. Die Nerven, die Motivation, die Lebensfreude oder die Konzentration zu verlieren ist auch furchtbar, aber eben unsichtbar. Im Frühjahr habe ich als Vorsitzende der Studienvertretung eine Umfrage gestartet (siehe PUNKT. 01/2020), die sich mit den Schwierigkeiten der Kommunikationswissenschaft-Studierenden im Distance Learning befasst hat. Die Umfrage wurde an die Fachbereichsleitung der Kommunikationswissenschaft, den Vizerektor für Lehre Martin Weichbold und an die die PR-Stelle der Universität geschickt. Die APA hat daraufhin sogar eine Pressemeldung veröffentlicht. Und was macht die Universität? Nichts. Beziehungsweise weiter umstrukturieren. 

Die Kommunikationsoffensive des Rektorats bezüglich der Strukturreform startete im Sommer – genau zu dem Zeitpunkt, als sich alle vom sehr anstrengenden Semester erholen wollten und sollten. Statements wurden verlangt, Rückmeldungen erbeten, Austausch erwartet. Zig Mails am Tag, zig Eilmeldungen, ständiges Angespanntsein (kommt ein Lockdown, kommt keiner, habe ich Symptome, ist meine Oma sicher etc. pp.), schlechte Internetverbindung zu Hause, eine schei* Wohnsituation ohne Ausweichmöglichkeiten. Die Universität will sozial sein und interessiert sich nicht für das Wohlbefinden der Involvierten. 

Dass eine zweite Welle der Pandemie anrollt, war zu erwarten. Nicht zu erwarten war, wie heftig diese Welle auf Österreich treffen würde (an dieser Stelle: Danke, Kurz / Ironie off). Die Universität hat verpasst, vorausschauend zu agieren, Fortbildungen für Lehrende anzubieten, mit der Politik in Austausch zu treten und sich aktiv für Mitarbeitende und Studierende einzusetzen. Studienverzögerungen werden ganz normal geführt, so als wäre 2020 ein Jahr wie jedes andere. Ist es aber nicht, dafür gibt empirische Belege; konkret für die Kommunikationswissenschaft mit der im März und April durchgeführten Studie. Menschen sind derzeit überfordert und benötigen Unterstützung oder Hilfe und keine zusätzliche Last, wie sie eine so umfassende Reform automatisch mit sich bringt. 

Ist es Kalkül, gerade jetzt die Reform durchzuführen? Wenn ja, dann ist das eine bodenlose Rücksichtslosigkeit. Wenn nein, dann ist es das trotzdem. 

Titelbild: Shutterstock / Andrea Schernthaner
Dieser Artikel ist im PUNKT. 02/20 erschienen.